Der Sonnenkönig, Kommunist:innen und Babayagas

Reise- und Besichtigsungstips einer architektonischen Reise nach Paris

Ein Beitrag von Brigitte Schäfer. Zwei Akteurinnen der Beginen Villa, dem geplanten Frauen-Wohn- und Kulturprojekt in Köln, wollten sich im heißen August in Paris für ihre weiteren Planungen in Köln von französischen Bauten und Planer:innen inspirieren lassen und die Hauptstadt architektonisch erkunden.  

Neben dem seit mehreren Jahrhunderten bestehenden gewaltigen Mehrgenerationen-Wohn- und Arbeitsgebäude VERSAILLES, initiiert von Sonnenkönig Ludwig XIV., das mit architektonischer Raffinesse und Prunk immer wieder beeindruckt, konnten die beiden Kölner Beginen zwei weitere Bauprojekte besichtigen.

Die Babayagas
Die Babayagas

Zu Besuch bei Babayagas

Im westlich gelegenen Pariser Stadtteil Montreuil gelegen, ist das einzigartige Frauen-Wohnhaus „La Maison des Babayagas“ eine Besonderheit in Paris.
Nach über 20-jähriger Vorbereitungszeit wurde das „La Maison des Babayagas“ endlich von der Netzwerkerin Terese Clerc zusammen mit einer kleinen Gruppe Mitstreiterinnnen 2012 eröffnet. Die konnten ihre Vision eines guten Lebens im Alter in Gemeinschaft endlich umsetzen. Es wurden von der Initiativgruppe zum Betrieb und zur Auswahl der Bewohnerinnen entwickelt, die das Miteinander, die Fürsorge und den gegenseitigen Austausch betonten. Auch planen sie die öffentlichen Veranstaltungen.


Der Bau konnte mithilfe des Vereins der Kommune und dem Sozialamt der Stadt Paris in ein Mieterinnenprojekt umgesetzt werden, da keinerlei Privatvermögen oder Stiftungsgelder zur Verfügung standen. Im Laufe der Umsetzung entwickelte sich die für die Babayagas unabwendbare Situation, dass die Stadt über den Zuzug der Bewohnerinnen eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den Hausbewohnerinnen bestimmt und die neuen Bewohnerinnen dem Haus mittlerweile „zuweist“. Eine den Traum vom selbstbestimmten Wohnen zerstörende Erfahrung, die die Beginen Villa-Frauen mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen.
Die 25 Wohnungen sind über sechs Stockwerke verteilt, die für Frauen über 60 Jahre mit den Wohnungsgrößen zwischen 20qm und 38,5qm jeweils mit einem kleinen Balkon ausgestattet. Ebenfalls wohnen vier Studentinnen in der Wohnanlage. Die beiden großen Gemeinschaftsräume (insgesamt ca. 100qm) im Erdgeschoss werden nur sehr selten für gemeinsame Veranstaltungen genutzt. Der 20qm kleine Garten wird als Gemüsebeet und die überdachte Kaffeeecke von einigen wenigen gestaltet.


Die derzeitige rechtsgerichtete kommunale Politik nimmt immer wieder Einfluss auf dieses für Frankreich einzigartige Frauen-Wohnhaus und verhindert mit ihrer politischen Einflussnahme ein gemeinsames und selbstbestimmtes Miteinander. Von den aktiven Initiatorinnen der „La Maison des Babayagas“ sind nur noch drei übriggeblieben. Diese sind mittlerweile über 80 Jahre alt, aufgrund ihrer geringen Rente jedoch immer noch berufstätig. Während diese die Beginen Villa-Frauen mit viel Engagement durch „ihr“ Haus führten, zeigen die übrigen Hausbewohnerinnen keinerlei Interesse an einem gemeinschaftlichen Wohnen und Miteinander, was zu einer allgemeinen herben Enttäuschung der seit Jahrzehnten aktiven Intitiatorinnen führt. Eine Einladung nach Köln wurde ausgesprochen, die Kölner Beginen halten weiterhin Kontakt mit den drei Babayagas.

  • Im Garten der Babayagas
  • Bau von Gailhoustet
  • Terrassen von Gailhoustet
  • Geschäfte Gailhoustet
  • Terrassen von Gailhoustet
  • Bau von Gailhoustet mit Straßenansicht

Vielfalt beim Tour Jean Hachette

Im St. Ivry sur Seine, einem seit Jahrzehnten von Kommunist:innen im Stadtrat organisierten Pariser Stadtteil im Südosten, können aufgrund von städtischen Umstrukturierungen und Verdichtungen neue und innovative Gebäudekomplexe besichtigt werden. Diese weisen sehr oft (vertikale) Begrünungen auf und sorgen so für ein angenehmes grünes Stadtbild, ein Trend der auch vermehrt auch an Bürgerhäusern der Innenstadt zu sehen ist.

Renèe Gailhousteteine französische Architektin und Stadtplanerin, die durch ihre innovativen Sozialwohnungsbauten in der Pariser Banlieue bekannt wurde, leitete hier seit 1976 verantwortlich die Stadterneuerung. Sie realisierte mitunter beim besichtigten Stadtteilprojekt „Tour Jeanne Hachette“ eine Mischnutzung der Gebäude durch eine terrassierte Bauweise. Die Erdgeschosse werden dabei als Geschäfte genutzt. Als eine der ersten selbständigen Architektinnen in Frankreich hat sie mit ihren sozialen Wohnungsbauten komplexe Geometrien eingearbeitet, an vielfältigen Wohnformen innerhalb des Gebäudes, an großen (grünen) Außenanlagen und einem öffentlichen Gemeinschaftsraum, der für alle Bewohner:innen für Mehrfachnutzung zur Verfügung stehen und sah Architektur als kritische und politische Raumproduktion.

Erst im sehr hohen Alter erhielt Renèe Gailhoustet die ihr zustehende Anerkennung (u.a. 2019 den Großen Kunstpreis Berlin) Gailhoustet verstarb im Januar 2023. Mittlerweile wurden ihre Bauwerke in die nationale Denkmalliste aufgenommen, eine ärgerliche Tatsache, die vor allem Architektinnen, aber auch viele Künstlerinnen leider immer noch erfahren müssen, die erst sehr spät für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden. 

Dieser Beitrag wurde von Brigitte Schäfer verfasst. Schäfer ist Sprecherin des Gemeinschaftsprojekts Beginenvilla.

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