Kommunen tauschen sich zum Erbbaurecht und gemeinschaftlichen Wohnen aus
Zweimal im Jahr tauschen sich Nachbarkommunen zu Themen rund um das gemeinschaftliche Wohnen aus. Diesmal waren in Mönchengladbach neun Kommunen und das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW (MHKDB) zu Gast.
Colin Beyer von Quaestio stellte die vom Forum Baulandmanagement NRW herausgegebene Arbeitshilfe „Der Einsatz des Erbbaurechts aus kommunaler Perspektive“ vor und beantwortete Fragen zur Anwendung. Städte wie Aachen, Köln und Münster verfügen bereits über politische Beschlüsse zur Vergabe im Erbbaurecht, die für gemeinschaftliche Wohnprojekte bereits eine wesentliche Rolle spielt. Das Grundstück bleibt so in kommunaler Hand und die angebotenen Konzepte können im Erbbaurechtsvertrag langfristig gesichert werden.
Einigkeit bestand darin, dass der Erbbauzins nicht zu hoch sein darf, damit gemeinwohlorientierte Projekte entstehen können. Wenn geförderter Wohnraum oder sozio-kulturelle Nutzungen geplant werden, sind inzwischen 0,75-1,5% Zins p.a. üblich, für besondere Projekte mit geringer Refinanzierungsmöglichkeit kann der Zins sogar gänzlich erlassen werden. Eine entscheidende Stellschraube ist aber auch die Art der Grundstücksbewertung. Für gemeinwohlorientierte Projekte ist es angemessen, sich am nutzungsabhängigen Ertragswert und nicht dem marktbasierten Bodenrichtwert zu orientieren.
Eine Vorreiterin für die Grundstücksvergabe im Erbbaurecht an gemeinschaftliche soziale und ökologische Projekte ist die Stiftung Trias, die seit langem bundesweit Grundstücke im Erbbaurecht vergibt, die Projektziele damit langfristig sichert und Bodenspekulation ausschließt.
Einig waren sich die Teilnehmenden, dass es auf die Ausgestaltung dieses Instruments ankommt. Der regelmäßige interkommunale Austausch über Erfahrungen zu diesem Zukunftsthema ist daher sowohl für kleine als auch große Kommunen besonders wertvoll.
Frau Dr. Sabine Weck vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ils) stellte ihre leider noch unveröffentlichte und vom Ministerium MHKDB beauftragte Studie zu Trends und Entwicklungen gemeinschaftlicher Wohnprojekte vor.
Bereits 2009 und 2013 wurden vom Ministerium Broschüren zum gemeinschaftlichen Bauen und Wohnen mit Beispielprojekten aus NRW veröffentlicht. Mit 196 Beispielen konnte jetzt ein Teil der inzwischen existierenden Projekte ausgemacht werden. Akteure aus 15 bestehenden und 12 Projekten in Planung wurden interviewt, 168 Online-Fragebögen ausgewertet.
Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind so attraktiv und wichtig, weil sie „sehr anschlussfähig an gesellschaftliche Trends“ sind, ist das Ergebnis. Ein Trend ist laut GDW-Branchenbericht die „Renaissance der Nachbarschaft“. Das direkte Wohnumfeld, verlässliche und aktive Nachbarschaften, das Teilen von Dingen und Räumen, Unterstützungsstrukturen im Quartier gewinnen an Bedeutung. Die Nachfrage nach Austausch, Gemeinschaftsräumen steigt und wird von gemeinschaftlichen Wohnprojekten besonders gut bedient, weil sie „Infrastrukturen des Gemeinsamen“ bieten. So entstehen resiliente Hausgemeinschaften in bedarfsgerecht von den Nutzer*innen geplanten Projekten.
Größere gemeinschaftliche Wohnprojekte können besonders nachhaltig in Formen des Gemeinschaftseigentums wie Genossenschaften und Mietshäusersyndikat umgesetzt werden, sie werden immer bekannter; Genossenschaftsgründungen werden in der Wohnraumförderung NRW besonders unterstützt, die KfW bietet Darlehen zur Finanzierung von Anteilen an.
In gemeinschaftlichen Wohnprojekten können inklusive oder andere Wohngruppen integriert werden, auch in Kooperationen mit sozialen Trägern oder Kulturinitiativen. Die untersuchten Projekte zeigen einen bunten Strauß an Chancen und Möglichkeiten, die je nach Schwerpunkten der Gruppen ausgestaltet und für das ganze Quartier relevant sein können.
In Neubauquartieren können so frühzeitig Ankerpunkte und Impulse für die ganze Nachbarschaft entstehen. Aus gemeinschaftlichen Wohnprojekten kommen immer wieder neue Impulse für das Wohnen, wie z. B. Cohousing oder Clusterwohnen. In punkto Ökologie und Nachhaltigkeit sind sie als dauerhaft selbst bewohnte Häuser oft vorbildlich geplant und bewirtschaftet.
Wie können diese Qualitäten von der Nische in die Breite entwickelt werden? Frau Dr. Weck beschreibt die typische Entwicklung so: Man startet mit Pilotprojekten, die eine Nische bilden. Durch Förderung stabilisiert man sie, sie breitet sich aus und entwickelt sich schließlich zum Mainstream. Was ist hierfür wichtig? Benötigt werden Räume und Strukturen für Treffen und Austausch, wie die Wohnprojektetage, Netzwerke, Veranstaltungen aber auch Wissensträger mit Spezialwissen – auch in Beratungsstrukturen. Lokale Schlüsselpersonen und Finanzierungs- und Förderstrukturen ergäzen das notwendige Angebot.
Vieles davon wächst in NRW heran, bei der Anzahl von Projekten ist aber noch viel „Luft nach oben“. Frau Dr. Weck hält die vielfältige Unterstützerlandschaft für essentiell, aber auch die „Türöffner in die Verwaltung“, Netzwerke, Projekt- und Veranstaltungsreihen und konkret: Grundstücke für mehrere Projekte innerhalb von Entwicklungsgebieten.
Fazit: Grundsätzlich sollte man mehr „Experimentierräume“ erlauben, es den Gruppen durch Standardisierung von Abläufen (Vergabeverfahren, Beratung, Erbbaurechte, Dachgenossenschaften) erleichtern. Weitere Trends sind Projekte auch jenseits der Großstädte, inklusive Projekte und das Bauen im Bestand.
Die Anwesenden, zuständig für das gemeinschaftliche Bauen und Wohnen in ihren Kommunen, konnten das aus ihrer Erfahrung nur bestärken und freuten sich auf den nächsten Austausch 2025 in Münster, wo es um die Herausforderungen rund um die konkrete Umsetzung von größeren Projekten gehen wird, z. B. das dortige Genossenschaftsprojekt Grüner Weiler für 250 Menschen. Einen Vorgeschmack bietet dieser Radiobeitrag mit den Gründer*innen des Grünen Weilers.